Heute möchte ich euch von einem Traum erzählen, welchen ich vor ein paar Tagen hatte. 

In diesem Traum war ich Teil einer Gemeinschaft außerhalb einer großen, modernen Stadt. Der Weg welcher von der Stadt hierher führte war ein einfacher Trampelpfad ohne besondere Merkmale, ohne Verkehrsschilder wie man sie sonst an jedem Weg oder Straße fand. Die Siedlung befand sich mitten in einer Steppe, ringsum keine Bäume, kein Gras, nur ödes, staubiges und flaches Land.

Ich stand draußen, auf diesem Weg und betrachtete die Häuser welche sich, von der Stadt kommend, an der rechten Straßenseite befanden. Es waren alte Häuser, teils stark heruntergekommen, renovierungsbedürftig allesamt. Bei manchen bröckelt die Fassade, bei anderen sind Löcher im Dach oder im Fenster und man benötigt schon etwas Fantasie um die Schönheit der Gebäude aus alter Zeit wieder zu erkennen.

Die Menschen dieser Gemeinschaft sind ähnlich heruntergekommen, in Lumpen gehüllt und nur soweit gepflegt, als es mit Wasser aus einem Brunnen geschöpft möglich ist. Es mangelt an allem, auch Strom fehlt und alles das, was unser Leben als Menschen heute ausmacht. Und doch sind sie sich einig hier bleiben zu wollen, da sie frei sind und abgesehen vom materiellen Mangel und der Sehnsucht nach der alten Zeit keinerlei Beschwerden haben.

Da kam es, das von Zeit zu Zeit ein Beamter aus der Stadt heraus in die Siedlung kam und mit seinem Wohlstand protzte. In einem langen, teuren Mantel aus schwarzem Fell gehüllt mit einem ebenso kostbaren Hut auf dem Kopf und glänzenden Lackschuhen in schwarz stieg er aus seinem Wagen, machte ein verächtliches Gesicht als er die Zustände sah in denen wir lebten. Dies währte aber nur ganz kurz, da er seine Fassung gleich wieder fand und seinen Auftrag möglichst schnell erledigen wollte.

Er bedeutete mir die anderen Bewohner der Siedlung zu holen und ich tat es widerwillig, da ich wusste was er wollte. Verhindern kann ich es aber nicht, denn jeder von uns war freiwillig hier und nahm all die Strapazen auf sich und so liegt es nicht in meiner Macht ihn am sprechen zu hindern oder gar sein hiersein zu verschweigen. Nach und nach kamen sie alle zum Vorschein, manche mit Neugierde in den Augen, andere mit Ablehnung und Zorn da sie um seinen Auftrag wussten.

Als nun alle da waren hob er zu sprechen an und bedauerte dabei die Umstände unter denen wir hier leben mussten. Er zählte all die Mängel auf die er sah und vermutete und beteuerte gleichzeitig uns nicht helfen zu können solange wir hier blieben. Schlussendlich forderte er uns auf, jeden mit besorgtem Blick in die Augen sehend, die Siedlung zu verlassen und endlich in die große Gesellschaft der Stadt einzugehen, sich ihr anzuschließen. An blumigen Worten wie schön es dort ist, ließ er es nicht mangeln und ich konnte in den Augen von so manchem die wehmütige Erinnerung an schöne Tage, vor langer Zeit sehn. Eben das wollte er erreichen. Die Sehnsucht nach der Unbekümmertheit der alten Zeit, wo Mangel ein Fremdwort für die Meisten war, wo man reisen durfte ohne Schwierigkeiten, jene Tage, an denen wir fließendes Wasser und auch Strom hatten. Jene Tage an denen wir sorglos und glücklich dahinlebten und in dieser Sorglosigkeit die aufziehende Gefahr nicht erkannten, welche uns in kürzester Zeit in diese Not brachte.

Der Beamte wurde langsam unruhig da keiner etwas sagte und ein jeder in Gedanken versunken vor sich hin starrte. Mit einem lauten Räuspern machte er auf sich aufmerksam und hob wieder zu sprechen an, als er sah dass die Menschen ihn mit gemischten Gefühlen ansahen. Wieder schilderte er uns von den Annehmlichkeiten der Stadt und davon, wie gut es nun jenen ginge, welche mit ihm von Zeit zu Zeit hier weg gingen um dort zu leben. Ob es so war oder nicht, konnte keiner sagen, da wir sie nie wieder sahen.

Auch diesmal war er fündig geworden, zwei aus unserer Mitte scherten aus und stellten sich zu ihm, eine alte Frau, mit ganz grauen Haaren und einer alten zerkratzten Brille in einem löchrigen roten Mantel mit einem leichten abgewetzten Überwurf und ein Mann um die vierzig Jahre mit braunen kurzen Haaren als Kranz um seine Halbglatze gewachsen in einem zerschlissenen grauen Anzug. Beide waren mir wohl bekannt, sie waren stets fleißig und lebensbejahend und schwelgten oft wehmütig in den Erinnerungen der alten Zeit. Sie waren Mitglieder unserer Gemeinschaft vom ersten Tage an.

Sie besprachen sich mit dem Beamten und dieser wiederum gab mit einem Mobiltelefon, einem Apparat welchen keiner von uns mehr besaß, in der Stadt bescheid und nach kurzer Zeit kamen acht Männer mit zwei Sänften dahergerannt. Die beiden von uns Scheidenden wurden neu eingekleidet und erhielten gleich eine Kleinigkeit welche sie sich wünschten als Geschenk. Sie bekam ein paar Wollknäuel und Stricknadeln dazu, da sie früher gerne und oft strickte stürzte sie sich sogleich darauf während er einen Laptop bekam und seine Augen dabei glänzten wie bei einem Kind zu Weihnachten. Zufrieden betrachtete der Beamte die Reaktion der Beiden und sah bedauernd in unsere Richtung.

Unsere beiden Abkömmlinge saßen inzwischen ein jeder in seiner Sänfte und werkten emsig drauf los. Die Sänften selber waren beide von gleicher Machart, aus rotem Holz mit Schnitzereien, wie man sie sonst nur aus gotischen Kirchen kennt und die Kabinen, in denen sie saßen, waren von Glas abgeschlossen. So saßen sie wohl behütet in ihrer kleinen Kabine und hörten nicht einmal unsere Zurufe. Die Träger setzten sich nun in Bewegung, hoben die Gebilde an und stapften dahin. In ihren Augen war keinerlei Freude, kein Leben war darin, wie entseelt starrten sie teilnahmslos vor sich hin und taten was ihnen befohlen wurde.

Als sie ein Stück weit weg waren machte sich auch der Beamte auf zu seinem Wagen, grußlos verschwand er darin und sein bisher unerkannt gebliebener Fahrer brauste mit ihm davon. Vor meinen Augen sah ich noch immer das zufriedene Gesicht der Beiden in der Sänfte und schmerzlich wurde mir bewusst dass sie für ein wenig Wohlstand und Dinge, die sie früher gern taten, ihre Freiheit opferten, ohne zu merken, dass sie bald wie diese Träger alles das tun müssen, was die Beamten und deren Vorgesetzte von ihnen verlangen. Auf ihren Schultern werden sie das tragen müssen, was jene sich einbilden und werden sich dem beugen und ein seelenloses Sklavendasein führen oder im Widerstand zerbrechen, da sie von dieser Stadt nicht mehr raus kommen.

Die Gemeinschaft in der ich lebe wird kleiner, nach und nach bröckelt sie auseinander, selbst der harte Kern wird langsam brüchig. Die Zermürbung der freien Menschen zeigt Wirkung…

Nur ein Traum?
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